Küsst Frankfurt den deutschen Fußball wach?
Lange hat es gedauert: Nach 42 Jahren hat Eintracht Frankfurt endlich wieder einen internationalen Titel gewonnen. Der Siegeszug der SGE ist enorm wertvoll für die Bundesliga, denn endlich ist die Europa League im Bewusstsein der Deutschen angekommen – hoffentlich nachhaltig.
Was war das für eine Fußballnacht: Die Eintracht aus Frankfurt holte sich gegen die Glasgow Rangers den Titel in der Europa League nach 5:4 im Elfmeterschießen. Verdient. Denn mit Mut, Wille und einer unmenschlichen Portion Leidenschaft hat sich das Team von Trainer Oliver Glasner Runde um Runde in die Herzen aller deutschen Fußball-Fans gespielt. Oder anders ausgedrückt: Die SGE hat den Wettbewerb angenommen, wie keine deutsche Mannschaft zuvor. Und das nicht zum ersten Mal.
Bereits in der Saison 2018/19 fegte die Eintracht durch die zweithöchste europäische Klasse. Makellos endete damals die Gruppenphase mit sechs Siegen aus sechs Spielen, danach eliminierte man die großen Namen Inter Mailand und Benfica Lissabon. Erst im Halbfinale war auf tragische Weise Schluss. Der spätere Titelträger FC Chelsea hatte im Elfmeterschießen die besseren Nerven. Doch die Herzen der Fans gehörten schon damals den Hessen.
Was die Eintracht damals wie heute so sympathisch machte, war die Tatsache, dass man den Wettbewerb Europa League respektierte, annahm und unbedingt gewinnen wollte. Endlich wieder Europa, endlich wieder Spiele gegen große Gegner. Zigtausende Fans begleiteten ihre SGE über den Kontinent, sangen ihre Lieder, schwangen ihre Fahnen. Der Support zehntausender Anhänger gipfelte im vergangenen Viertelfinal-Rückspiel. Es ist nicht vermessen zu sagen, dass die Frankfurter Fans damals dem großen FC Barcelona das Fürchten lehrten. „Ich bin besorgt, denn das, was passiert ist, war eine Schande, die sich nicht wiederholen darf“, polterte Barcas Präsident Joan Laporta damals, denn das Camp Nou erstrahlte in blütenreinem weiß der SGE, gesungen und gejubelt wurde auf deutsch.
Anderen Teams war der „Cup der Verlierer“ anscheinend egal
Etwas Vergleichbares hat es bis dato in diesem Wettbewerb – seit er den Namen Europa League trägt – so gut wie nie gegeben. Natürlich erinnert man sich an die zehntausenden Kölner Fans, die in der Saison 2017/18 London unsicher machten. Doch sportlich hatte der 1. FC Köln damals nicht das Niveau, eine ähnlich furiose Tour durch Europa hinzulegen. Vom Verletzungspech ganz zu schweigen.
Der Blick geht eher Richtung Bayer Leverkusen, RB Leipzig, Borussia Dortmund und Co. Mannschaften, die an sich selbst den Anspruch haben, in der Champions League eine Rolle um den Titel mitzusprechen, aber eine Etage drunter – Leipzigs jüngste Halbfinal-Teilnahme mal außen vor – Jahr für Jahr enttäuschten. Man wird den Verdacht nicht los, dass diese Teams die EL tatsächlich als „Cup der Verlierer“ sehen, wie Franz Beckenbauer den Vorgänger UEFA Cup einst bezeichnete.
Man hatte lange das Gefühl, dass die Vereine aus der Bundesliga eher ihr Herz auf dem Rasen ließen, als der zweithöchste Wettbewerb für europäische Clubmannschaften noch seinen alten Namen trug. Was waren das für Auftritte, als der FC Schalke 1997 mit seinen „Eurofightern“ den Pott in den Pott holte. Oder als eine Papierkugel das geschichtsträchtige Halbfinale zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV zu Gunsten der Grünweißen entschied.
Das waren Abende, die ewig in den Geschichtsbüchern des Fußballs stehen werden. Ebenso wie nun der große Triumph der SGE, der zeigt, dass auch ein deutscher Verein den bis dato unliebsamen UEFA-Cup-Nachfolger Europa League ernst nehmen kann. Vielleicht haben die Frankfurter das Bewusstsein der Deutschen für die Attraktivität des Wettbewerbs wachgeküsst. Es wäre für kommende magische Nächte sehr zu wünschen. Gleiches müsste nun noch für das jüngste Kind der UEFA, die Europa Conference League, passieren. Der ‚Effzeh‘ und seine treue Anhängerschaft werden nächste Saison mit Sicherheit alles dafür tun.