Fall Müller-Wohlfahrt: Bayern droht seine Identität zu verlieren

Fall Müller-Wohlfahrt: Bayern droht seine Identität zu verlieren

Das Vertrauensverhältnis ist schwer beschädigt, der Doc schmeißt hin: Dass Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt und sein Team Schuld an der Niederlage in Porto haben sollen zeigt, dass der FC Bayern auf einem schmalen Grat wandert und aufpassen muss, seine Identität nicht zu verlieren.

Als offenes Geheimnis gilt das schlechte Verhältnis zwischen dem Mediziner und Pep Guardiola. Vor allem wegen der Behandlung von Thiago gab es immer wieder Zoff zwischen dem Trainer und ‚Mull‘, wie der Doc genannt wird. Natürlich ist es auch derzeit ein Ärgernis, dass zahlreiche wichtige Spieler wie Franck Ribery den Münchnern fehlen. Der 32-Jährige soll auch Auslöser des Knalls gewesen sein. Doch bislang war Müller-Wohlfahrt eher die Lösung des Problems denn als Teil der Krise zu sehen.

Nimmt man beispielsweise eben Ribery oder Arjen Robben, kommt einem der ehemalige Bayern-Doc nur positiv in den Sinn, denn ohne ihn hätten beide Flügelflitzer wohl deutlich weniger Spiele für den FCB absolviert, wie Ribery im vergangenen Sommer klarstellte.

Damals hatte der Franzose verletzungsbedingt die WM verpasst, aber keine Kritik am Arzt von Seiten des französischen Verbandes zugelassen: „Das ist unfair. Auf Müller-Wohlfahrt lasse ich überhaupt nichts kommen. Ich bin jetzt sieben Jahre beim FC Bayern. ‚Mull‘ hat mein vollstes Vertrauen, er hat mir immer geholfen“, sagte der Offensivspieler. „Ohne ihn weiß ich nicht, ob ich so Fußball spielen könnte. Oder auch Arjen Robben. Der war so oft verletzt. Müller-Wohlfahrt hat er zu verdanken, dass er jetzt völlig ohne Probleme spielt.“ Wie die Spieler nun auf das Aus des Ärzte-Teams reagieren, bleibt abzuwarten. Ein Riss zwischen Trainer und Teilen der Mannschaft ist ob der großen Dankbarkeit der Spieler für den Arzt zumindest nicht ausgeschlossen.

‚Robberys‘ lange Unversehrtheit ist aber nicht der einzige Verdienst Müller-Wohlfahrts, auf den Sportstars aus aller Welt, wie etwa Sprint-Star Usain Bolt, schwören. Und 2001 hätten die Bayern ohne den Einsatz des heute 72-Jährigen möglicherweise ihre Schwierigkeiten beim Gewinn der Champions League gehabt, denn Spieler wie Mehmet Scholl, Jens Jeremies oder Giovane Elber konnten nur spielen, weil der Doc sie für die wichtigen Spiele fit machte.

Es ist schlichtweg Irrsinn, Müller-Wohlfahrt für die Niederlage im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League verantwortlich zu machen. Die Hauptverantwortung lag bei den Spielern, denen Ideenlosigkeit, frappierende Ballverluste und verlorene Zweikämpfe vorzuwerfen sind.

Die Münchner stecken nun in einer Zwickmühle: Einerseits kann es nicht im Interesse der Münchner sein, DEN Guru der Sportmedizin einfach ziehen zu lassen, andererseits will der Club seinem Trainer nicht auf den Schlips treten. Denn seit Wochen versuchen die Bayern, den 2016 auslaufenden Vertrag des Spaniers zu verlängern.

Darin aber liegt die Gefahr für den FCB: Der Club muss größer bleiben als einzelne Personen, denn was geschieht, wenn Guardiola einmal nicht mehr da ist? Uli Hoeneß hatte es einmal, ausgerechnet mit Blick auf Guardiolas Erzrivalen Jose Mourinho, so ausgedrückt: „Er quetscht seine Clubs aus wie eine Zitrone. So etwas könnte ich nie akzeptieren!“ Ansonsten läuft der erfolgreichste deutsche Fußball-Club Gefahr, seine Identität zu verlieren.

Dieser Artikel wurde veröffentlicht bei: RTL.de und sport.de

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