‚Königlicher Coach‘: Ein scheinbar schöner Job
Das war’s also: Carlo Ancelotti ist bei Real Madrid Geschichte. Nach zwei Jahren muss der Italiener seine Koffer bei den ‚Königlichen‘ packen. Im Umkehrschluss heißt das: Einer der anscheinend begehrtesten Trainerstühle der Welt ist frei – doch jeder Coach sollte sich zweimal überlegen, ob er in die spanische Hauptstadt gehen will.
„Das war eine sehr schwierige Entscheidung, aber wir sind nicht dafür da, einfache Entscheidungen zu fällen, sondern wir müssen das tun, was für so einen großen Club das Beste ist.“ Mit diesen Worten erklärte Vereins-Präsident Florentino Perez den Rauswurf Ancelottis. Die Ansprüche bei Real seien hoch, das Maximum an Leistung wurde verfehlt. Der Club ist nun also auf der Suche nach einem Coach, der dieses „Maximum“ herausholen kann.
Wenn man ehrlich ist, ist dies ein Unterfangen, das sich nur ein ganz hartgesottener Coach antun kann. Wieso, erfährt man bei einem Blick zurück: In diesem Jahrtausend versuchten schon 12 Trainer, den hohen Ansprüchen der Madrilenen gerecht zu werden, die wenigsten schafften es. Seit 2000 feierte Real nur vier Meisterschaften und zwei Pokalsiege. Lange sehnte man sich nach ‚la Decima‘, dem 10. Triumph in der Champions League.
Diese Sehnsucht stillte Ancelotti im vergangenen Jahr. Hinzu kam 2014 noch der Triumph im Finale der Copa del Rey gegen den Erzrivalen FC Barcelona. Und in dieser Saison? Zugegeben, einen Titel erreichten die Weißen nicht. Aber eine knappe Vize-Meisterschaft und das Erreichen des Halbfinals der Champions League sind doch ganz ordentlich. Dennoch wog dieser Misserfolg in den Augen der Club-Bosse schwerer als die Triumphe des vergangenen Jahres.
Ausgepresst wie eine Orange
Aber bekanntlich wiederholt sich Geschichte. Im Fall der Spanier sogar schneller als man denkt. 2012 feuerte der Verein Jose Mourinho, obwohl der Portugiese in seiner ersten Saison 2010/11 zum ersten Mal seit vier Jahren die Meisterschaft und ein Jahr später den Pokal geholt hatte. Zuvor musste sich schon Bernd Schuster trotz einer gewonnenen Meisterschaft (2007/08) verabschieden.
Trainer wie Manuel Pellegrini (Saison 2009/10), Juande Ramos (2008/09) oder Fabio Capello (2006/07) gingen erfolglos auf Titeljagd und durften deshalb ebenfalls ihre Sachen packen – alle natürlich nach nur einer Saison. Real ist eben nicht darauf bedacht, langfristig nach einem Konzept zu arbeiten, um später Titel einzuheimsen. Man will nicht erst sähen, sondern die Früchte des Erfolgs sofort geliefert bekommen.
Stellt sich also die Frage, wer Reals Luftschlösser im kommenden Jahr (den Plural benutzen wir vorsichtshalber nicht) renovieren soll? Ganz heißer Kandidat soll Rafael Benitez sein. Der Spanier gewann 2005 mit dem FC Liverpool die Champions League gegen den AC Mailand – wo damals Ancelotti auf der Trainer-Bank saß.
Zudem triumphierte er 2013 in der Europa League mit dem FC Chelsea und 2014 mit seinem aktuellen Club SSC Neapel im italienischen Pokal. Logisch also, dass Real den 55-Jährigen auf dem Zettel hat. Denn die Chancen stehen ob seiner Erfolge gut, dass Benitez sofortigen Erfolg vorweisen kann. Die Fans wünschen sich laut einer Umfrage der ‚Marca‘ allerdings Jürgen Klopp. Zweifel, ob der scheidende Coach von Borussia Dortmund sich Real wirklich antun würde, sind aber angebracht. Zwar ist Real Madrid wegen seiner grandiosen Geschichte ein Mythos und wird wohl auch immer einer der strahlendsten Clubs der Welt bleiben. Doch ein Konzept-Trainer wie Klopp wird sich sicher nicht dem Druck eines titelgierigen Clubs aussetzten, der die Trainer des Erfolges willen ausquetscht wie eine Orange. Aber vielleicht macht es ja Benitez.
Dieser Artikel wurde veröffentlicht bei: RTL.de und sport.de