Was ist bloß aus der Elftal geworden?

Was ist bloß aus der Elftal geworden?

Nun ist es also amtlich: Holland fährt nicht zur Europameisterschaft nach Frankreich im kommenden Jahr. Oder wie es hier in Deutschland heißt: „Ohne Holland fahr’n wir zur EM!“ Denn der Spott ist ob der Historie der Elftal natürlich groß. Doch gerade die Tatsache, dass die fußballerisch immer starke Oranje in einer vergleichsweise ‚einfachen‘ Gruppe so blamabel gescheitert ist, kann einen traurig stimmen.

Was waren das für Zeiten, als die Elftal mit ihrem offensiven, kontrollierten und spielerisch anschaulichen Fußball die gegnerischen Teams zur Verzweiflung brachte, schon das erkennen ließ, was heute die Philosophie der ganz großen Mannschaften im europäischen Spitzenfußball ist: Das Positionsspiel, ‚Voetbal totaal‘.

Jeder Spieler übernimmt dabei jede Aufgabe, alle verteidigen, alle greifen an. Einer für alle, alle für einen. Was Pep Guardiola, der Coach des FC Bayern, heute predigt, rief Hollands Legende Johan Cruyff in den Siebzigern ins Leben. Der frische Fußball der Holländer gipfelte im EM-Triumph 1988 und erlebte seinen letzten großen Titel 1995, als auf Vereinsebene Ajax Amsterdam die Champions League gewann.

Seitdem ging es langsam aber stetig bergab. 2002 verpasste die Elftal die Weltmeisterschaft in Japan und Südkorea, auch in den zwei großen Turnieren danach sprach Holland kein Wort um den Titel mit. Die letzte große Show nach altbewährter Cruyff-Manier lieferte Oranje bei der WM 2010, als nach einem tollen Turnierverlauf erst im Finale gegen Spanien der Traum vom ersten WM-Titel platzte.

2014 schaffte es Bondscoach Louis van Gaal zwar nicht mehr, seiner Mannschaft das gute alte holländische Spiel einzuverleiben. Doch mit in der Heimat als unorthodox gesehenen und kritisierten Methoden einer Dreier-Abwehr plus zwei Halbpositionen auf außen führte der Nationalcoach sein Team bis auf Platz 3 und feierte unter anderem ein grandioses 5:1 zum Auftakt gegen die bis dato alles überragenden Spanier.

 

Alternde Stars statt junge Talente

Es war das vorerst letzte Aufheulen des seit den 2000ern stark ins Stottern geratenen Oranje-Motors, der jetzt endgültig den Geist aufgegeben zu haben scheint. Was dem Vize-Weltmeister von 1974 derzeit – abgesehen von einer klaren Spielidee – fehlt, sind junge Hochtalentierte. Egal ob Cruyff, Marco van Basten, Edgar Davids, Clarence Seedorf, Ruud van Nistelrooy oder Arjen Robben: Jede Generation hatte Spieler, die zur absoluten Weltklasse gehörten.

Aktuell sind die Führungsspieler der Elftal nur noch alternde Stars wie Wesley Sneijder oder van Persie, die – bei allem Respekt – nur noch für die türkische Liga gut genug sind. Weltklasse verkörpert höchstens noch Robben, der mit 31 Jahren allerdings auch nicht mehr der Jüngste ist und sich zu oft mit Verletzungen rumplagt. Ein Memphis Depay hat zwar Talent, ist mit den gerade genannten aber (noch) lange nicht zu vergleichen. Auch im Tor herrscht seit dem Karriere-Ende von Edwin van der Sar ein Vakuum.

Schaffen es die Holländer nicht, sich in der kommenden WM-Qualifikation neu zu erfinden, droht das nächste Turnier ohne den ‚geliebten‘ Nachbarn – mit Gruppengegnern wie Frankreich und Schweden kein unrealistisches Szenario.

Dieser Artikel wurde veröffentlicht bei: RTL.de und sport.de (Artikel leider nicht mehr online)

 

Weitere Beiträge

So einfach könnte es sein: ‚Alte Herren‘ lösen alle Probleme

So einfach könnte es sein: ‚Alte Herren‘ lösen alle Probleme

Fan-Kampf gegen Windmühlen: FC der Verlierer

Fan-Kampf gegen Windmühlen: FC der Verlierer

Reus auf den Spuren Ballacks

Reus auf den Spuren Ballacks

‚Königlicher Coach‘: Ein scheinbar schöner Job

‚Königlicher Coach‘: Ein scheinbar schöner Job