Deutschland hat Schweinsteiger nicht verdient

Deutschland hat Schweinsteiger nicht verdient

Bastian Schweinsteiger hat es nicht leicht: Verletzungen suchen den Mittelfeld-Chef des FC Bayern immer öfter heim, Stimmen werden laut, der 30-Jährige habe keinen Wert mehr für den FCB. Von einem Wechsel nach England ist nun die Rede. Eine Diskussion, die schwachsinniger nicht sein kann, doch Schweinsteiger ist eben viel zu oft Everybody’s Depp – und möglicherweise hat dieses Land ihn gar nicht verdient.

„Ohne echte Führungsspieler werden die Bundesliga-Clubs noch lange auf internationale Titel warten müssen!“ Eine Aussage von Oliver Kahn vom August 2011. Der FC Bayern hatte in der abgelaufenen Saison keinen Titel geholt, in der Champions League war bereits im Achtelfinale gegen Inter Mailand Schluss. Ziel von Kahns Kritik auch Bastian Schweinsteiger.

Zu sehr werde von einer „flachen Hierarchie“ gesprochen, zu selten zeige der Mittelfeld-Mann, dass er einer von der Sorte Spieler ist, „die bereit sind, Mitspieler anzutreiben, und die permanent die maximale Erfolgsbereitschaft einfordern“. In den Medien ist vom ‚Chefchen‘ die Rede, der eine Mannschaft nicht führen kann.

Ein Jahr später verspielt der FC Bayern alle drei Titel, besonders bitter die Niederlage im Endspiel der Champions League im ‚Finale dahoam‘. Als – im negativsten Sinne – Kirsche auf der Torte scheitert die deutsche Nationalmannschaft auch noch im EM-Halbfinale an Italien. Wasser auf die Mühlen für alle Kritiker. „Schweini bleibt Schweini. Und ein Chef wird er nie!“, titelt die ‚Bild‘.

„Ich gehe davon aus, dass Schweinsteiger im kommenden Jahr nicht mehr für den FC Bayern spielen wird.“ Worte von Dietmar Hamann, vor ein paar Wochen erst veröffentlicht im ‚kicker‘. Bayerns Vize-Kapitän habe das Duell mit Xabi Alonso im Mittelfeld des deutschen Meisters verloren. Jetzt ist von einem Abschied Richtung Manchester United die Rede. Denn nach dem Aus im CL-Halbfinale gegen den FC Barcelona ist klar: Dieser Schweinsteiger kann den Bayern nicht mehr helfen.

Moment, war da nicht was?

Der Held von Maracana

13. Juli 2014. Maracana-Stadion in Rio/Brasilien. WM-Finale. Deutschland gegen Argentinien. Um etwa 23.30 Uhr wirft sich Schweinsteiger in einen Zweikampf, stoppt Lionel Messi, den besten Fußballspieler der Welt. Blutverschmiert, von Krämpfen geplagt. 5 Minuten später ist Deutschland Weltmeister. Der damalige Vize-Kapitän ist DAS Sinnbild für diesen Erfolg. Dieser liegt gerade einmal 10 Monate zurück, doch niemand scheint sich daran zu erinnern.

Schweinsteiger kann machen, was er möchte, die Kritik an ihm wird niemals aufhören. Vergessen scheint auch, was 2013 war: Mit einem bärenstarken Schweinsteiger räumt der FC Bayern das Triple ab: Meisterschaft, DFB-Pokal, Champions League. Ein Jahr bevor sich das ‚Chefchen‘ die goldenste Krone des Weltfußballs aufsetzt, hält er mit dem ‚Henkelpott‘ das schönste Zepter des Vereinsfußballs in den Händen.

Doch noch während der Triple-Saison hatte sich Olaf Thon in der ‚Bild‘ zu Wort gemeldet: „Schweinsteiger spielt hauptsächlich in die Breite und kann keinen Mann mehr überspielen.“ Ilkay Gündogan werde ihn womöglich schon bei der WM ersetzen, für einen großen Titel werde es nicht reichen.

Die Geschichte spricht eine andere Sprache. Völlig logisch, dass Schweinsteiger nur wenige Monate später endlich auch die Würdigung bekommt, die er verdient: Deutschlands Fußballer des Jahres 2013 – möchte man zumindest meinen. Doch was tut der ‚Focus‘? Natürlich, er stellt die Wahl in Frage! Es kann nicht sein, dass dieser zur absoluten Weltklasse gereifte Denker und Lenker Deutschlands Bester ist. Zu knapp sei das Ergebnis, zu wenige Journalisten hätten abgestimmt, da muss es eine Panne gegeben haben.

Lächerlich! Deutschland sollte endlich das anerkennen, was nun einmal Sache ist: Bastian Schweinsteiger ist einer der größten Fußballer dieses Landes aller Zeiten! Acht deutsche Meistertitel, sieben Pokalsiege, dazu der große Triumph in Brasilien und im Finale der Champions League 2013. Auch in dieser Saison trotz Verletzungen mit vier Toren und acht Vorlagen: Dieser Mann kann JEDEM Verein auf der Welt helfen. Jupp Heynckes hatte es während der Triple-Saison einmal so ausgedrückt: „So wie ein Filmregisseur sein Drehbuch hat, hat Schweinsteiger seinen Matchplan. Ich bin froh, dass ich ihn habe.“ Schweinsteiger ist ein Mann, der die Spieler mitreißt, ein Mann, der stets alles gibt, ein Mann, der so ziemlich alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gibt. Doch er wird wohl immer der Mann bleiben, der erst blutüberströmt seine Knochen hinhalten muss, um die Anerkennung zu kriegen, die ihm zu oft versagt wurde. Und ja, die undankbare Nation hat so einen Spieler einfach nicht verdient!

Dieser Artikel wurde veröffentlicht bei: RTL.de und sport.de

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